Haben Sie auch einen Bach in der Nähe? Manchmal nur einen, selten auch mal zwei bis drei Meter breit, im Sommer zugewachsen durch überhängende Bäume und Brennnesseln am Ufer, maximal 50cm tief, an vielen Stellen auch nur 15 bis 20cm. Der Bodengrund schlammig und sandig, nur vereinzelt etwas Kies. Ein Becken für Bachflohkrebse, Blutegel und vielleicht mal einen Stichling. Aber richtige Fische? In diesem besseren Abwassergraben? Vor einigen Jahren hätte ich über die Aussage dass eine 57cm grosse Bachforelle in diesem monotonen Stück auf dem Bild ihr Unwesen treibt auch nur geschmunzelt und es als Anglerlatein abgetan. Heutzutage fische ich gezielt auf genau diesen Fisch in genau diesem Bach. Und dann war da noch der Zufall, der es wollte das ich vor einiger Zeit Stephen kennen lernte, der den selben Spleen hat. Und so kam es das ich ihn einlud mit mir zum Saisonabschluss noch einmal die Berkel abzugehen. Gar nicht in der Erwartung die dicke Bertha oder überhaupt einen Fisch zu Gesicht zu bekommen. Ein, zwei Kaltetränke in der Natur am Bach, über die vergangene Saison quatschen und eventuell mal einen Fisch anwerfen, so war der Plan. Es kam alles anders, dazu später. Wie komme ich darauf in einem solchen Bach solche Fische zu suchen? Der Bach ist ein typischer Münsteraner Niederungsbach. Schon kurz nach der Quelle mit recht hohem Sauerstoffgehalt und einem, durch eingespültes Sediment, für einen Quellbach recht hohem Leitwert. Die Sohle ist zu 70% Sandig, der Rest besteht aus Kies oder felsartigem Stein. Es gibt viel Totholz und Störsteine die den Sauerstoffgehalt weiter erhöhen und viele Unterstände bieten. Das Salmo trutta fario in der Berkel beheimatet ist, habe ich bei der Übernahme des Amtes als Gewässerwart erfahren. Jedes Jahr wurden von meinem Vorgänger junge Bachforellen besetzt. Ob die sich dort selbst replizieren können? Vielleicht tun sie es ja bereits. Um das herauszufinden habe ich im letzten Jahr den Besatz ausgesetzt, mir beim Landesfischereiverband ein Elektrofischereigerät geliehen und im Frühjahr/Sommer darauf den Bach an mehreren Stellen abgefischt. Siehe da, wir haben neben Hunderten von Schmerlen, vielen Groppen und ein paar Aalen einige Bachforellen gefangen. Zur Freude aller viele Nullsömmrige, aber auch große Forellen. Und zwar so manche, die die 50cm Marke locker geknackt haben. Das wäre doch eine Herausforderung eine solche Forelle, mit der extra für die Bachfischerei angeschafften 6′ #5 Fliegenrute, an den Haken zu bekommen. Die Berkel ist nicht überall so monoton und gerade wie auf der obigen Abbildung. Außerhalb der Stadt schlängelt sie sich mäandrisch um die Felder, von Bäumen eingehüllt und dicht verwachsen. Es gibt nur wenige Stellen an denen man die Nymphe problemlos in’s Wasser bekommt. In der Regel dann auch nur, wenn man im Bach
steht oder wegen der tief hängenden Äste sogar kniet und mit Rollwürfen arbeitet. Natürlich hat man bei einem so kleinen Gewässer eine wahnsinnige Scheuchwirkung. Also watet man in Indianermanier und Zeitlupentempo durch das Wasser, die Augen offen auf der Suche nach steigenden Fischen oder einfach nur dem Schatten der stehenden Forelle. Nicht ganz so einfach wenn man plötzlich 40cm tief in den Schlamm einsinkt. Das Ganze erfordert Geduld und Konzentration. Ein falscher Schritt, hängen bleiben am Ast, ein gelöster Stein der vom Ufer in’s Wasser rollt oder auch nur der eigene Schatten, der den Sichtbereich einer Forelle kreuzt, sorgen oft für eine plötzliche Sandwolke im Wasser und somit einem fischleeren Bereich um einen herum. Diese Art der Fischerei ist nicht jedermanns Sache. Aber wenn man diese Angelei einmal für sich entdeckt hat, hat sie beinahe etwas meditatives und lässt einen so schnell nicht mehr los. Eine Bachforelle von 20cm ist an der Traun nicht einmal ein Foto wert, hier kann sie, nach mehreren Schneidertagen, der einzige Fisch des Tages sein. Und wer sich diesen Fisch über mehrere Tage erarbeitet hat, freut sich riesig über den Fangerfolg. Nachdem ich vor einigen Wochen in der Berkel mein Ü50 Debüt hatte, ging die Suche weiter. Wie schon erwähnt kam Stephen dann zum Saisonende zu mir an die Berkel und wir wollten selbige bei einem lockeren Berkelgang ausklingen lassen. Das letzte Oktoberwochenende der Saison lud mit wolkenfreiem Himmel und 20°C gerdezu zum angeln ein. Eine kleine Bachforelle und ein Rotauge gab es zum Auftakt an den Haken. Zwei Spots durch und ansonsten keinen Fisch. Gesehen haben wir genügend. Eine große Forelle habe ich, fast an der selben Stelle an der ich vor 14 Tagen meinen 57cm Rogner gefangen habe, stehen sehen. Direkt unter der Rutenspitze saß sie, ich hinter einem Baum versteckt.
Aber Nymphe und Bachflohkrebs ließ sie unbeeindruckt an sich vorbei ziehen. Ich gehe davon aus, dass sie etwas gemerkt hat und ihr die Situation nicht geheuer war. Nach ein paar Minuten verschwand sie dann stromabwärts. Schade, das wäre ein toller Fisch für den Saisonabschluß gewesen. Mit erhöhtem Herzschlag ging es weiter, gegen die Strömung am Ufer entlang, immer mit einem Auge auf dem Wasser. Stephen hielt inne und flüsterte „Was für ein Fisch“. Da stand sie, eine große Forelle, direkt vor uns im Wasser. Geschätzt um die 50cm. Das wäre ein noch viel besserer Fisch für den Abschluß! Stephen kraxelte einige Meter hinter ihr in den Bach und schlich sich in Zeitlupe an sie heran. Nach einigen Würfen, einem Köderwechsel und bangen Minuten mit zitternden Händen verzog sich der Fisch in seinen Unterstand. Mist! Zwei tolle Fische am Saisonende nicht erwischt. Erst mal eine Pause! Wir tranken ein Bier, philosophierten über das Angeln und unseren Faible für kleine Gewässer in denen man eigentlich gar nicht angeln kann. Wir wollten „unsere“ Fische nach einer halben Stunde nochmal angehen, eventuell sind sie dann wieder aus der Deckung hervor gekommen. Leider hatten die es sich anders überlegt und blieben in ihrem Unterstand oder sind woanders hin gezogen. Da Stephen mit Freundin und Hund auch langsam wieder nach Hause wollten, habe ich ihm einen kurzen Spot vorgeschlagen, den wir vom Ufer aus in einer knappen Stunde abgefischt hätten. Zwar ist die Gegend nicht schön, man steht direkt an einem Fuß – und Radweg und das Gewässer ist monoton. Man sieht es auf der ersten Abbildung. Da es Nachmittag war und die Sonne tief stand, fielen die Schatten weit voraus, Deckung gab es eh keine. Äußerst schlechte Bedingungen. Aber ich wusste durch die Elektrobefischung und mehreren Beobachtungen das dort mehrere Ü50’er stehen. Jedoch meist an den geschützten Stellen die von Bäumen dicht bewachsen sind und ein werfen unmöglich machen. Nicht mal in die Nähe. Doch dann passierte es. Stephen kniete sich hin und gab mir durch einen Handwink zu verstehen das er etwas gesehen hat. Ich ging ebenfalls in die Hocke und machte mich langsam auf den Weg zu ihm. Ich sah wie ein Köder gewechselt wurde, dann ein Wurf fast direkt vor sich und ein lautes „WOW“! Er sprang in den Bach, ich machte die Kamera scharf und schaute gespannt dem Drill zu.
Unglaublich wie viele Deckungen und Gehölz ein Fisch in einem so kleinen Areal finden kann. Die wissen schon warum sie dort stehen. Der Fisch ist unter einen Betonpfeiler, von Stephens Kescher unerreichbar. Also versuchte er eine Handlandung und griff beherzt in das Loch, erwischte aber das Maul der Forelle. Die schoss wieder aus dem Unterstand raus und konnte nach einigem Hin und Her gekeschert werden. Naja, gekeschert ist vielleicht der falsche Ausdruck, eher in den Kescher rein gefaltet werden. Ein wahnsinns Fisch! Hier nochmal ein dickes Petri zur 55cm Bachforelle! Der Tag war gerettet, Stephen überglücklich und wir hatten ihn, den perfekten Saisonabschluss.
Diese Art der Fischerei ist das Gegenteil dessen was sich die meisten Fliegenfischer wünschen. Neben einer guten Packung Geduld und Ruhe erfordert sie, wie oben schon erwähnt, eine hohe Hemmschwelle. Fünf Nymphen am Tag die im Nirvana der Uferböschung verschwinden sind keine Seltenheit, gespottete Fische die wegen eines dummen Fehlers das Weite suchen oder der Fisch der alle Rekorde schlagen würde aber auf keinste Weise angeworfen werden kann, gehören zur Tagesordnung. Wenn dann doch mal der ein oder andere Fisch gelandet wird, ist die Freude dafür um so größer. Ich bevorzuge zur Jagd auf (Groß)Forellen bei uns nachgebundene Wasserflohkrebse. Sehr dunkel gefärbt, so wie sie bei uns unter jedem zweiten Stein vorkommen. Keine Ahnung ob es stimmt, aber ich gehe davon aus, dass eine alte erfahrene Forelle ihre Beute kennt. Und je besser die Nymphe diese imitiert, desto wahrscheinlicher ist es für mich das sie sich damit überlisten lässt. Das Vorfach halte ich in dies recht kurz. Ein 9′ Vorfach ist mit einer 6′ Rute, kniend unter Bäumen schwer zu werfen. Vor allem neigt das Vorfach bei langen Rollwürfen dazu am Ende des Wurfs nochmal in seiner eigenen Länge nach oben zu schnellen. Da steckt man bei 6′ schon oft genug im Astwerk. Ein 6′ Vorfach war bisher für mich der beste Kompromiss zwischen wenig Scheuchwirkung und gut zu werfen.
Bachfischerei